Obwohl schon in den 1980er-Jahren abgeschafft, spielt der „Friedenszins“ in der Mietendiskussion immer noch eine Rolle

Ein Gespenst geht um auf dem österreichischen Immobilienmarkt: das Gespenst des „Friedenszinses“. Denn einerseits gilt dieser besonders günstige Mietzins schon seit den 1980er-Jahren als abgeschafft. Andererseits wird der Begriff in der anhaltenden Debatte über krasse Mieten-Unterschiede – oft auch innerhalb eines einzigen Hauses – nach wie vor gerne verwendet. So stellte die Wiener Fachgruppe der Immobilientreuhänder vor Wochen in einer Aussendung fest, dass „über 75.000 private Wiener Mietwohnungen heute noch sogenannte Alt- oder Friedenszinsverträge sind“.

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„Mysterium“

„Es ist mir selbst ein großes Mysterium, warum dieser Begriff nicht umzubringen ist“, meint dazu Wohnrechtsexperte Christoph Kothbauer. Er hält fest, dass es den Friedenszins „nicht mehr gibt – oder zumindest nicht mehr geben müsste“; falls doch, habe ein Vermieter schlicht von der in den 1980er-Jahren geschaffenen Möglichkeit der Anhebung keinen Gebrauch gemacht und somit auf höhere Einnahmen verzichtet.

Vorsichtig formuliert der Experte die Vermutung, dass der Begriff Friedenszins „vielleicht einfach immer nur falsch verwendet wird, nämlich für Altmietverträge generell“. Weniger vorsichtig ist diesbezüglich Wolfgang Kirnbauer vom Wiener Mieterschutzverband. Er glaubt, dass der Begriff von Vertretern der Immobilienwirtschaft ganz bewusst verwendet wird, „um damit zu assoziieren, dass das geltende Mietrecht aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammt. Das stimmt aber einfach nicht.“

Fachgruppenobmann Michael Pisecky räumt ein, dass die allermeisten der oben erwähnten 75.000 Altverträge keine Friedenszinsverträge seien, diese aber „in einer kleinen Minderheit“ nach wie vor existieren würden.

Für Kirnbauer löst sich das Problem quasi „biologisch“: „Meiner Erfahrung nach sterben die Leute mit den billigen Mieten langsam weg.“ So mancher Entwickler will aber nicht so lange warten; einige wenige versuchen deshalb mit fragwürdigen Methoden, Altmieter aus dem Haus zu drängen. Weitaus häufiger kommt es aber vor, dass unbefristete Altmietverträge auf legalem Wege abgelöst werden – mit Geld. Allerdings werden dabei „extremst unterschiedliche Beträge gezahlt“, plaudert Mieterschützer Kirnbauer aus der Praxis. „Mancher Mieter sagt bei 5000 Euro schon ‚Danke‘, weil er nicht jahrelang mit dem Vermieter streiten will. Bei anderen geht’s hinauf bis auf 50.000 oder 80.000 Euro.“

Mieter „über Nacht weg“

Über so manche legale Ablöse eines bestehenden Mietvertrags erlangen Mieterschützer freilich nie Kenntnis – „weil umso eher Stillschweigen über den Betrag vereinbart wird, je mehr bezahlt wird“. Ein von ihm betreuter Mieter in dem jüngst geräumten Haus in der Wiener Mühlfeldgasse 12 sei etwa „über Nacht plötzlich weg“ gewesen. Kirnbauer nimmt an, dass es da „zu einer glücklichen Einigung gekommen ist“.

Was solche legalen Ablösen betrifft, nennt Kirnbauer jedenfalls eine „Faustregel“: Betroffene Mieter sollten sich ausrechnen, wie viel sie in einer neuen Wohnung zehn Jahre lang mehr an Miete zahlen würden – und daran ihre Forderung ausrichten. (Martin Putschögl, DER STANDARD, 9.8.2014)

Wissen: Friedenszins und Friedenskronenzins

1922 wurde mit dem Beschluss des ersten Mietengesetzes der monatliche Grundmietzins für eine Wohnung mit dem halben Jahresmietzins des Jahres 1914 festgelegt („Friedenszins“). 1951 wurde wiederum der höchstzulässige Mietzins mit einem Schilling pro Friedenskrone 1914 festgelegt („Friedenskronenzins“). In den 1980er-Jahren wurde es Vermietern ermöglicht, die noch existierenden billigen Friedenszins-Mieten per sogenannter §45-Anhebung um einen Erhaltungsbeitrag zu erhöhen, bis eine Höhe von zwei Dritteln des jeweiligen Kategoriebetrags erreicht war. (mapu)

Quelle: http://derstandard.at/2000004157727/Der-Friedenszins-der-keiner-mehr-ist